3. November WELTMÄNNERTAG

Grund zu feiern, Männer?!

Anlass sich aus der Berater- und Coaching-Ecke Gedanken über den angezählten Mann zu machen.

In meinem Vortrag „die inneren Antreiber“ strecken besonders die Männer ihre Köpfe aufmerksam nach vorne, wenn ich die Antreiber „sei stark“ und „streng dich an“ vorstelle. Natürlich gibt es auch andere Antreiber, doch diese zwei begleiten die Männer hartnäckig und sind deshalb unter den Männern sehr verbreitet und ursächlich für Unzufriedenheit, Krankheit, Burn-out und vielleicht auch für den Zustand dieser Welt.
Männer leben riskanter als Frauen – wird in einer Studie der Stiftung Männergesundheit behauptet. Das riskante Verhalten gehört laut der Studie zur männlichen Lebensbewältigung. Männer gehen wie selbstverständlich an und über ihre Grenzen, wenn es um Leistung und Stark-sein geht. Sie unterliegen einem hohen Erwartungsdruck im Beruf, aber auch im Privaten. Sie müssen auch dann noch funktionieren, wenn sie eigentlich nicht mehr können. Männer sollen selbst dann noch stark sein, wenn sie eigentlich auch mal schwach sind. Ein Erwartungsdruck, der von außen herangetragen wird und den der Mann gleichzeitig auch an sich selber stellt. Dein Männerbild prägt demzufolge dein Leben, Mann. Achtung ist geboten!

Hängt also an unserem Männerbild mehr als nur ein Disskusions-Thema? Oh ja!

„Jungs (,die später die Männer dieser Welt sind,) kennen keinen Schmerz. Jungs weinen nicht.“ „Wenn es nicht mehr so richtig klappt, dann hast du dich nur noch nicht genug angestrengt.“ Kleine unschuldige Jungs werden mit subtilen Hinweisen auf den Weg gebracht. Ich wuchs mit diesem traditionellen Männerbild auf und gerade in den letzten Wochen brechen hier bei mir persönlich alte „Schutz“Krusten auf, die lange verhindert haben mit meiner verletzlichen, und schwachen Seite in Kontakt zu kommen.
Das Leben in Partnerschaft und mit Kindern öffnen mir die Augen und ich erkannte, was ich wieder lernen will, nämlich schwach sein zu dürfen, traurig und hilflos mit Tränen in den Augen, wenn das Leben sich danach anfühlt. Ich wollte mir lange Zeit nicht in die Karten schauen lassen. Ich hatte Angst, durchschaut zu werden und Angst davor, mit dem Schmerz, der unter der Oberfläche verborgen ist, in Verbindung zu kommen. Heute ist mir klar, dass diese Seite ein bisheriges Leben lang für meine Wahrhaftigkeit gefehlt hat.

Ein Segen für die Familien (insbesondere die Familien mit Söhnen) und für die Welt als ganzes, wenn diese Männlichkeitsvorstellungen zerfallen.

Es macht die Männer und meist die Menschen um sie herum krank oder verletzt sie, wenn sie über jede Vernunfts-Grenze hinweg „auf die Zähne beißen und durchgehen.“ Männerkrisen hat diese Welt haufenweise zu verzeichnen. Schauen wir mal überall dorthin, wo sie heute haupt- oder zumindest mitverantwortlich Krisen schaffen. Stichwortsammlung: Klimaabkommen, Syrien, Irak, Afghanistan, USA, Nuklearabkommen, Islamischer Staat, Türkei, Ukraine, Ungarn, Polen fallen mir auf die Schnelle ein. Staaten, Themen, in denen die Männerkrisen das Potential zeigen in Männerkatastrophen zu enden.

Übertreibe ich vielleicht etwas und male den Teufel an die Wand? Möglich, doch der folgende Satz lässt sich auch mit Zahlen belegen. „Männer haben keine psychischen Probleme – sie bringen sich höchstens um.“
Etwa 10.000 Suizidfälle werden in Deutschland pro Jahr registriert, fast drei Viertel davon sind Männer. Studien belegen: Männer leiden ungefähr gleich oft an psychischen Störungen wie Frauen. Die Anzahl derer, die psychische oder beratende Unterstützung hinnehmen, wächst bei Männern zwar an, wird aber seit Jahren auf ca. ein Drittel geschätzt. Dass sich hier etwas bewegt, ist sicher auch den Coaching-Angeboten zu verdanken, die vor allem von Männern genutzt werden und in den letzten Jahren eine starke Verbreitung erfahren.

Es ist kein Wunder, wenn Männer über ihre Leistungsgrenzen gehen. Der Druck im Beruf, die Erwartungen der Partnerin und die schreienden oder pubertierenden, herausfordernden Kinder zu Hause. Zu viele Männer schlucken Tabletten, verlieren sich in der Arbeit oder setzen Alkohol ein, um weiter dem Gesellschaftsbild des funktionierenden Mannes zu entsprechen. Der Mann meint, das hat früher geholfen, das funktioniert auch heute und gibt noch mehr Gas. Oder er kämpft und kämpft weiter in der Vorstellung, die Krise irgendwann hinter sich lassen zu können. Doch er stellt fest, ab der Lebensmitte funktionieren diese alten Antreiber irgendwann nicht mehr. Die Räder drehen durch, ohne vom Fleck zu kommen oder man bleibt im Morast stecken oder knallt gegen einen Baum.

„Du hast gebrannt, dann ein bisschen zu sehr gebrannt, du bist ein bisschen zu sehr ein Mann, jetzt brauchst du mal eine Pause.“

Werden tiefere Ebenen nicht angeschaut, gibt es die Möglichkeit, dies mit Tabletten zu behandeln. Der Mann kommt daraufhin halbwegs mit dem Leben klar, aber es ist immer ein Grauschleier um ihn. Es scheint nie richtig die Sonne und es regnet nie wirklich. Die Lebendigkeit bleibt auf der Strecke. Welch ein grausamer Preis dafür, alte Rollenbilder mit seinem Leben zu verteidigen.

Ich darf es in meiner Praxis immer wieder erleben, wenn Männer ihre Selbstermächtigung, ihre Lebendigkeit und ihre Zuversicht am Leben zurückgewonnen haben. Erhabene Momente.

Ich habe in meiner Praxis festgestellt, Männer sind anders zu begleiten als Frauen. Männer brauchen eine handlungsorientierte Ausrichtung. Die Beratungszeit sollte nicht zu gesprächig sein und Männer brauchen Tools an die Hand. Techniken, die sie selber anwenden können und sie bevorzugen es, raus in die Natur zu gehen. Walk-and-Talk, sprich, Outdoor-Beratung wird dem Praxisraum meist vorgezogen. Ebenso wichtig ist es für die meisten Männer, mit einem Mann auf Augenhöhe zu arbeiten, den sie auch mal kritisieren oder in Frage stellen können. Sie formulieren direkter und möchten auch direkt angesprochen werden.

Gefühle und Männer passen zusammen wie unzertrennliche Freunde.

Denn ein Mann, der seine Gefühle, seinen inneren Schmerz kennt, ist im alltäglichen Miteinander nicht mehr so hilflos und ohnmächtig. Er kann also folglich nur gewinnen. Der Gewinn ist ein höheres Selbstverständnis, welches mehr der inneren Wahrheit entspricht. Im besten Fall weiß der komplettere Mann dann, was er in diesem Leben will und setzt dies auch um. Er wird nicht mehr so schnell zum Opfer der Gesellschaft und den Erwartungen und erlangt die Macht über sich selber zurück.

Wenn das mal kein Grund zum Feiern ist … Männer!!!

 

Quellen:
www.stiftung-maennergesundheit.de
Zeit Magazin NR. 36; 25. August 2016; Männer lasst euch helfen!